Muss ich ein schlechtes Gewissen haben?

Oft kaufe ich im Internet ein oder bestelle mein Essen telefonisch bei einen Lieferservice. Damit trage ich dazu bei, dass Geschäfte und Restaurants sterben, Kinos und Museen verfallen und Stadtzentren veröden. Die Städte bekommen immer weniger Geld, weil die Gewerbesteuer sinkt, besonders ökologisch ist der Online-Handel auch nicht.

Hosen - Online-Einkauf@

Aber muss ich nun ein schlechtes Gewissen haben? Für mich sind die Möglichkeiten, die das Internet bietet ein Segen. Als nicht so mobile Rollstuhlfahrerin fällt es mir schwer, zum nächsten Laden zu fahren und Waren auszuwählen, die ich brauche. Vom Aufwand, Kleidungsstücke in einer engen Umkleidekabine anzuprobieren, ganz zu Schweigen. Zeitsparend ist der Online-Einkauf keineswegs. Es dauert, im Netz das Richtige zu finden. Welche Größe passt, welche Farbe steht mir? Gibt es auch noch etwas anderes als Asia-Food oder Pizza?

Beraten kann der PC nicht. Ein Online-Einkauf ist auch nicht besonders kommunikativ. Die einzigen Menschen, die ich dabei sehe, sind der Paketbote, der mir das Paket in die Hand drückt und vielleicht der Mitarbeiter im Paketshop, wenn ich die Ware wieder zurückschicken muss. Aber es ist eine der wenigen Möglichkeiten, selbst zu entscheiden, was ich wann kaufen will. Niemand muss beauftragt werden, für mich einzukaufen. Ein Zwiespalt, denn für die Verödung der Innenstädte möchte ich nicht verantwortlich sein und das schlechte Gewissen, mit meinem Einkaufsverhalten dazu beizutragen, ist immer dabei.

Etwas beruhige ich mein Gewissen damit, nicht zu den Menschen zu gehören, die sich im Geschäft vor Ort ausgiebig beraten lassen um dann das billigste Angebot im Netz zu finden. Kurz vor Weihnachten bestellte ich bei einem Online-Versandhaus 3 Winterjacken. Das schlechte Gewissen war die ganze Zeit dabei, weil ich ja wusste, wenn überhaupt, würde ich nur eine davon kaufen. Immerhin konnte ich mich für eine Jacke entscheiden und musste nur 2 zurückschicken.

Gern würde ich meinen Latte Macchiato in einem Caféhaus genießen und in einer Zeitung blättern. Aber ein barrierefrei erreichbares Café habe ich in meinem Stadtteil noch nicht gefunden. Vor einer Verabredung mit Freunden im Restaurant jedes mal die gleiche Frage: Wo können wir hingehen, was geht für dich? Und immer wieder kommen die gleichen Vorschläge von mir. Etwas Neues auszuprobieren, ist oft schwierig, weil Stufen im Weg sind, die Toiletten im Keller und es keinen Aufzug gibt. So ist es doch nicht verwunderlich, dass ich gezwungener Maßen und ohne es zu wollen zur Verödung der Innenstädte beitrage.

Ein Gedanke zu „Muss ich ein schlechtes Gewissen haben?“

  1. Ein schlechtes Gewissen? Nein, habe ich mir abgewöhnt. Wie schon beschrieben, fällt es uns Rollifahrern schwer Einkäufe zu tätigen, wie z. B. von einem Technikmarkt zum anderen zu gelangen – die meistens weit auseinander liegen -, um das gewünschte Gerät und die Preise herauszufinden. Es ist mir kräftemäßig einfach zu mühsam, von dem ständigen Bitten um Begleitung mal ganz abgesehen. Da finde ich es schon besser im Netz zu stöbern, zu vergleichen und bei Bedarf zu bestellen. Und, wie schon erwähnt, ein kleines Gefühl von Selbständigkeit kommt auf: “Ich habe es allein gekauft.”

    Der bittere Nachgeschmack, der bleibt, besteht darin, dass ich mich gern mit einem Verkäufer fachlich über die Ware auseinandergesetzt hätte (was mir eigentlich Spaß macht) und draußen im Alltagsleben gewesen wäre.

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