Meine Ideen zum Hashtag #behindernisse

Der Hashtag #Behindernisse hat in den letzten Tage auf Twitter eine große Aufmerksamkeit bekommen.. Viele Menschen schreiben, was für sie Behindernisse sind. Oft wird darüber berichtet, dass sie von anderen Menschen, die sich selbst als normal einschätzen, abwertend behandelt werden. In meinem Blog www.behindernisse.de sammele ich schon seit 2007 Beispiele für eine behinderten(un)freundliche Umgebung und suche Beispiele, wie man sie aus dem Weg räumen kann. Da ich in Hamburg lebe, beziehen sich die meisten Beispiele auf Hamburg.

3 Personen (@MissMindf0ck, @HairyMonoceros, @MikaMurstein) überlegten am Montag, ob es einen Hashtag gebe, unter dem behinderte Menschen “darüber schreiben, was sie alles inzwischen vermeiden”. Vorgeschlagen wurde #behindernisse. Mit diesem Hashtag trafen sie voll in Schwarze. Das Thema Behindernisse, eine Wortschöpfung aus Behindert und Hindernis bekommt neues Leben und eine große Aufmerksamkeit. Ich versuche hier, meine Gedanken zum Hashtag zu formulieren:

  1. Ich werde durch meine Krankheit in meiner Bewegung, in meinen Aktivitäten eingeschränkt. Hier ist es meine Aufgabe einschätzen zu können, was ich machen kann und was ich machen möchte.
  2. Eingeschränkt oder behindert werde ich, wenn ich etwas machen möchte und mich so einschätze, dass ich das kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, die Rahmenbedingungen aber nicht gegeben sind. Das ist für mich ein Behindernis. Wenn ich z. B. mit der Bahn einen Ausflug machen möchte, aber an meinem Ausflug gehindert werde, weil
    • die Aufzüge zum Bahnsteig außer Betrieb sind
    • ich mir keine Fahrkarte kaufen kann, weil die Fahrkartenschalter unerreichbar sind,
    • die Zugtoiletten außer Betrieb sind,
    • ich nicht in den Zug einsteigen kann, weil die Stufe unüberwindbar ist,
    • ich nicht früh genug den Mobilitätsservice der Bahn bestellen konnte,
    • der Zug 5 Minuten nachdem der Mobilitätsservice Feierabend gemacht hat, ankommt,

Diese Liste lässt sich erweitern. Ich würde nicht sagen, dass ich behindert bin, sondern behindert werde. Ich muss viele Dinge planen und bedenken, über die viele andere nur mitleidig lächeln. Das kostet zusätzlich Kraft und Energie, die ich gern anders einsetzen möchte.

Ein weiteres Beispiel: Ich wäre gern Stadtplanerin geworden, habe aber während meiner Abschlussprüfung die Diagnose MS bekommen. Ich habe die formale Qualifikation, eine gute Stadtplanerin zu sein. Ich schätzte mich so ein, dass ich eine Tätigkeit geschafft hätte, wenn die Rahmenbedingungen gepasst hätten. Ich habe mich auf verschiedene Stellenanzeigen beworben, wurde zu Vorstellungsgesprächen eingeladen (Schwerbehinderte werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt). Letztendlich wurde ich aber doch abgelehnt. Ob es an der Behinderung lag, weiß ich bis heute nicht.

Es ist ein Behindernis, wenn andere für mich einschätzen, ob ich einer Aufgabe gewachsen bin oder nicht. Das kann ich nur selber und wenn ich mich falsch eingeschätzt habe, ist das meine Sache. Mich erinnert das an das Buch von Raul Krauthausen „Dachdecker wollte ich eh nicht werden“ Ich wollte nie Hochseiltänzerin werden oder ein Sportass. Das hätte ich weder geschafft noch  gewollt.

Jeder Mensch hat individuelle Eigenschaften, individuelle Wünsche und Vorstellungen Es ist falsch, wenn andere Menschen sie bewerten oder verurteilen, bloß weil sie sich für sich selber nicht vorstellen können, damit leben zu müssen. Viele dieser Menschen haben Entscheidungsbefugnisse, aber nicht die Kompetenz, sich in die Bedürfnisse anderer Menschen einzufühlen und sie zu verstehen, sie zu akzeptieren und zu berücksichtigen. Das ist für mich der Weg, wie Behindernisse entstehen.

Nicht nur auf Twitter wird fleißig über behindernisse diskutiert, auch weitere Medien (z. B. SWR info, ZDF heute) haben das Thema aufgenommen. Es entsteht eine neue Dynamik. Hashtag und Blog befruchten sich gegenseitig und ich bin gespannt, in welche Richtung die weitere Entwicklung geht.

© Birgit Brink, Februar 2016

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