Am Wochende bekam ich eine Mitteilung von einer guten Bekannten, bei der ich nur noch mit den Ohren schlackern konnte.
Die Bekannte wollte mit dem Zug von Düsseldorf nach Bad Salzuflen reisen. Dass die Reiseplanung etwas aufwändiger ist, weil sie im Rollstuhl reist und immer überlegen muss, wo sie problemlos aussteigen kann und aus dem Bahnhof herauskommt, hat sie akzeptiert.
Am Sontag wurde ihre sorgfältige Planung aber völlig über den Haufen geworfen. Da der Bahnhof von Bad Salzuflen nicht barrierfrei ist, hat sie sich gleich den Bahnhof von Herford ausgesucht und wollte sich von dort abholen lassen. Hier gibt es Aufzüge, die aber abgeschaltet waren.
Die Begründung des Mitarbeiters am Service Point:
Dies wird so gemacht, damit keiner in den Aufzügen vandaliert. Damit in den Aufzügen nichts kaputt gemacht wird, muß jeder Bedürftige seinen Wunsch, Aufzug zu fahren, vorher anmelden. Wer das nicht weiß oder nicht tut, muß Treppen laufen.
In Herfod ist es besonders kompliziert. Der Bahnhof ist gänzlich ohne Personal. Die Freunde mussten bis Bielefeld fahren. Ein Bahnhof, der 60 km von Bad Salzuflen entfernt ist. Am Bielefelder Servicepoint erfuhren die drei, daß die Aufzüge nur benutzt werden können, wenn man Bielefeld vorher kontaktiert. Eine Information dazu in Herford hat keiner der drei gefunden.
Was bedeutet das für Menschen, die gar nicht laufen können? Wenn es keine Hinweise darauf gibt, daß man sich für die Benutzung der Aufzüge vorab anmelden muß. Kein Gehbehinderter, Rollstuhlfahrer oder Mensch mit einem Kinderwagen kann spontan irgend wo hin reisen dürfen. Wenn man eine Freundin besucht oder spontan einen Ausflug machen möchte, will man nicht von festen Zeiten eines “Schließers” abhängig sein.
Oft werden Aufzüge oder Behindertentoiletten bei der Deutschen Bahn vorschnell abgeschaltet. Ein winziger Defekt oder einfach nur eine kleine Unregelmäßigkeit ist ausreichend (z.B. der Aufzug baut beim Halten eine 1 cm kleine Stufe ein oder die Elektronik einer Toilettentüre fällt aus und diese muss von Hand geöffnet werden).
Darf man Menschen mit Behinderung derart bevormunden und über ihren Kopf hinweg bestimmen, daß sie auf ihre Mobilität und die Benutzung behindertengerechter Toiletten verzichten müssen? Auch wenn Aufzüge oder Toiletten trotz kleiner Mängel funktionstüchtig sind oder vieleicht Vanalismus droht. Normale Toiletten werden nie wegen solcher Kleinigkeiten abgeschlossen und Zugangstreppen bleiben auch trotz Vandalismusgefahr offen.
Meine Bekannte hat einen einfachen und guten Lösungsvorschlag: Man könnte ein Euro-Schloß einbauen. Dann könnten alle, die einen Euro-Schlüssel haben, nicht nur WCs für Menschen mit Behinderungen, sondern auch die Aufzüge nutzen.
Ich schreibe zum Beitrag “Barrierefreier Bahnhof – theoretisch ja, praktisch nein!”
Publiziert am 10. März 2011 von admin
Zitat:
Ich bitte aber zu bedenken, daß die im Beitrag angesprochenen Mütter mit Kinderwagen in den seltensten Fällen einen Euroschlüssel besitzen/bekommen.