Blauer Salon im roten Café

Schüchtern schauen Besucher durch die Tür des Stattcafés in Berlin-Charlottenburg. Heute treffen sich Leute, die sich sich noch nie gesehen haben und nur virtuell kennen, zu einer Lesung des Internet-Literaturforums „Blauer Salon“. Eine von vielen Lesungen und eigentlich nichts besonderes, oder doch?

Einige Teilnehmer kennen die richtigen Namen der Nutzer, anderen ist nur der Nickname, unter dem im Internetportal geschrieben wird, bekannt. Man wohnt verstreut in der gesamten Bundesrepublik und trifft sich in der virtuellen Welt des World Wide Web. Das reale Treffen heute ist für manche eine Premiere.

Im blauen Salon (www.blauersalon.net) sind Personen aktiv, die gern schreiben und ihre literarischen Werke mit anderen diskutieren wollen. Die Bandbreite reicht von Prosa und Lyrik bis zum Dramatischen. Menschen, die sich im wahren Leben niemals kennengelernt hätten, treffen auf andere, die ähnliche Interessen haben. Schon oft hat sich eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt. Fleißig und konstruktiv wird weit ab von der Öffentlichkeit kritisiert und an Texten gefeilt. In unregelmäßigen Abständen finden Lesungen statt, der Blaue Salon möchte auch von der realen Welt wahrgenommen werden.

Heute Abend wird eine neue Ausgabe der Online-Zeitung „Tableau“ vorgestellt. Autoren lesen Kurzgeschichten und Gedichte vor, die es ins Tableau geschafft haben. Organisiert hat die Lesung Katharina Körting, eine knapp 50-jährige, quirlige Frau, die auch als Moderatorin im Internetportal aktiv ist. Auch für sie ist der Ablauf des Abends ungewiss, eine gemeinsame Vorbereitung und Proben gab es nicht.

Ab 18 Uhr trudeln die Autoren aus verschiedenen Ecken der Bundesrepublik im gemütlich eingerichteten Stattcafé in Berlin-Charlottenburg ein. Hier ist eine Menge rot, die Sessel, die Tische und Wände.
Nach einer kleinen Stärkung mit einem Imbiss, Wein oder Bier, löst sich die Stimmung.

Schon nach wenigen Minuten hat man das Gefühl, hier treffen sich gute Bekannte, die sich schon lange kennen. Entspannt wird über dies und das geplaudert. Ein wenig Nervosität, Anspannung und Vorfreude ist allen anzumerken. Sind die anderen nett, kann ich mit ihnen reden? Kommen Besucher, die neugierig auf den Blauen Salon sind? Fragen, die allen im Kopf herum schwirren.

Um 20 Uhr geht es los. Zur Freude aller drängen sich immer mehr Besucher in das Café. Matthias Löwe, der Mathematikprofessor aus Münster, übernimmt die Moderation. Hier fällt die fehlende Vorbereitung auf. Launig stellt er die Autoren vor, nennt aber nur Namen und Herkunftsort. Zu wenig Informationen für die Zuschauer, um sich ein Bild von den Vorlesern und ihren Werken machen zu können. Es fehlt der rote Faden. Keine Antworten auf die Fragen, was hinter dem blauen Salon steckt oder warum Texte ausgewählt wurden.

Während die Moderation farblos bleibt, sind einige Texte überraschend gut und werden kurzweilig vorgetragen. Die Zuschauer können versteckte Juwelen entdecken, die berühren und zum Nachdenken anregen. Zu erwähnen seien hier die Kurzgeschichten „Die Großvaterkiste“ von Annett Friebel und „Wie Bötticher“ von Katharina Körting.
Es lohnt sich, die öffentliche Lesung zu besuchen, allerdings sollten die Moderatoren die Abende besser vorbereiten. Zuschauer wollen auf unterhaltsame Art durch den Abend geführt und bei der Suche nach einer Orientierung unterstützt werden. Das ist an diesem Abend leider nicht geglückt. Dafür ist die Auswahl der Autoren mehr als gelungen.
Auch im nächsten Jahr will der blaue Salon Lesungen veranstalten. Wann und an welchem Ort ist noch offen. Auf jeden Fall darf man sich auf einen kurzweiligen, überraschenden und abwechslungsreichen Abend freuen.

Birgit Brink, Januar 2012

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